Teamwork und das neue WIR – In Unternehmen brechen Hierarchien und Strukturen auf
By Ulrike Stahl In BlogZusammenarbeit verändert sich. Immer mehr Aufgaben werden in interdisziplinären Projektteams bewältigt. Neue Methoden wie Design Thinking setzen darauf, auch Branchenfremde in Innovationsprozesse zu integrieren.
Hinzu kommen die technischen Möglichkeiten, die es uns erlauben, uns vom eigenen Schreibtisch aus mit Menschen in den entlegensten Winkeln der Welt zu verbinden. Das heißt, wir haben heute viel mehr Raum und Möglichkeiten, unsere Ko-Intelligenz zu nutzen und dadurch Dinge zu erreichen, die in den bisherigen Strukturen nicht möglich waren.
Gewohnte Sicherheiten ruhig in Frage stellen
Zwei wichtige Aspekte von sozialem Miteinander sind Vertrauen und Sicherheit. An erster Stelle gibt uns Gewohnheit Sicherheit. Die meisten Menschen sind es gewohnt, für lange Zeit im gleichen Team zu arbeiten. Genauso sind wir es gewohnt, die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, persönlich zu kennen und nach Belieben face-to-face mit Ihnen sprechen zu können. Und last but not least, sind wir es gewohnt, überwiegend mit Menschen aus „unserem Kulturkreis“ zusammenzuarbeiten. Das tun wir auch deshalb ganz gerne, weil es uns die Sicherheit gibt, andere gut einschätzen zu können.
In meiner Ausbildung zum Design-Thinking Coach mussten wir unterschiedlichste Menschen am Bahnhof ansprechen und zu einem Thema interviewen. Wir sprachen Menschen verschiedener Altersgruppen an. Aber was mir irgendwann auffiel war, dass alle Angesprochenen, egal ob Teenager oder Senioren, der gleichen Gesellschaftsschicht angehörten.
Wir stehen vor so vielen Herausforderungen …
… als Individuum, als Unternehmen, als Gesellschaft und als Welt.
Wir können diese nicht mehr in unserem gewohnten Rahmen bewältigen.
Jetzt ist die Zeit, mehr zu wagen und die neuen Möglichkeiten mit offenem Herzen und neugierigem Geist anzunehmen. Und ich spreche hier nicht einfach von mehr Networking. Es geht um die Absicht, etwas daraus zu machen, das größer ist, als wir es alleine schaffen können. Was kann uns dabei unterstützen?
Lasst uns das WIR einfach größer denken
Hierarchische Strukturen, ergebnisorientierte Karrierepfade, konkurrierende Zielvereinbarungen und der Kampf um Budgets oder Leistungszulagen laden zwar dazu ein, sich abzugrenzen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Aber – ob wir es wollen oder nicht: Wir sind stets Teil eines größeren Systems. Die Familie, die Nachbarschaft, der Verein, unser Projektteam, das Unternehmen, das Öko-System, die Wirtschaft. Manche können wir uns aussuchen, zu manchen Systemen gehören wir einfach dazu.
Sich vertrauensvoll öffnen
Je größer das System ist, desto mehr verlieren wir diese Zusammenhänge aus dem Blick und umso weniger haben wir das Gefühl, Einfluss nehmen zu können. Tatsächlich sind wir aber ein Teil davon. Der Stuhl, auf dem wir sitzen zum Beispiel. Wie viele Menschen waren beteiligt, dass er jetzt hier unter mir stehen kann? Wozu trage ich bei? Sich das immer wieder bewusst zu machen, wirkt auf einer tieferen emotionalen Ebene, die uns die Sicherheit gibt, uns vertrauensvoll zu öffnen.
Sich das Netz bewusst zu machen, das uns verbindet …
… ist ein echter Kollaborations-Hack, der nicht nur ein besseres Gefühl verleiht, sondern nachgewiesen sogar bessere Verhandlungsergebnisse bringt. 26 weitere Kollaborations-Hacks gibt es in meinen WIRtschaftswelten (www.ulrike-stahl.com/wirtschaftswelten)
Zusammenarbeit auf einem neuen Niveau
Einzelkämpfertum und ICH-bezogene Machtspiele sorgen dafür, dass alle verlieren. Komplexe Herausforderungen können nur durch Zusammenarbeit auf einem neuen Niveau gelöst werden. Kooperation und Kollaboration sind heute der Schlüssel zum Erfolg. Heißt das nun, zurück zum Miteinander von alten Tagen, weil da alles besser war? Keineswegs. Wir müssen uns vorwärtsbewegen, hin zu einem neuen WIR im Business, das den heutigen Anforderungen gerecht wird.
Alte Strukturen der Zusammenarbeit loslassen
„Aber wir arbeiten doch eigentlich ganz gut zusammen“, werden an dieser Stelle viele Mitarbeiter und Führungskräfte für sich in Anspruch nehmen. Gemessen wird das meist an alten Wertvorstellungen. Was wir kennen ist: ‚Einer sagt an und die anderen machen loyal mit‘. So haben mein Großvater und mein Vater in einem großen Industriebetrieb gearbeitet. Ich nenne das Clan-WIR. Viele ältere Mitarbeiter sehnen sich danach zurück, „Weißt du, früher war das ein ganz anderes Klima. Da hat man dem Unternehmen noch etwas bedeutet.“
Das bietet Geborgenheit. Wer mitmacht ist sicher. Allerdings ist das Arbeitsergebnis auf den Horizont der jeweiligen Führungskraft reduziert und der einzelne Mitarbeiter eher unmündig. In Familienbetrieben findet man das zum Teil heute noch. In einem komplexen Umfeld bleiben solche Unternehmen mangels Agilität aber schnell auf der Strecke und Mitarbeiter, die es vorziehen, eigenverantwortlich zu denken und zu handeln, werden nicht lange dort arbeiten.
Dann gibt es noch das Amtsstuben-WIR. Arbeitsprozesse sind bis ins Kleinste durchstrukturiert und geregelt. Dem Einzelnen wird mehr Verantwortung übergeben. Alles ist hervorragend durchorganisiert, so dass jeder Mitarbeiter unabhängig bearbeiten kann, wofür er zuständig ist. Der fehlende Blick oder das mangelnde Interesse für externe Beziehungen und Zusammenhänge ist heute auch als „Silomentalität“ bekannt.
Die Hoffnung ist verbreitet, dass die Arbeitsteilung weiterhin so funktionieren könnte: „Wenn jeder nur einfach seine Aufgaben erledigen würde“, hört man nicht nur entnervte Projektleiter stöhnen. Tatsächlich gibt es allerdings kaum noch Aufgaben, die linear abgearbeitet werden können. Es gibt Sprünge und Schleifen und ständige Interaktion zwischen den Beteiligten. Das führt zum Einsatz agiler Methoden
Die Magie der agilen Teamarbeit
Viele Organisationen orientieren sich mehr und mehr an agilen Methoden: Kanban, Scrum, Scanban oder Design Thinking werden immer öfter eingesetzt, um Teams beweglicher und leistungsstärker zu machen. Grundprinzipien sind Verantwortlichkeit sowie die schnelle Interaktion im Team und mit Kunden. Und schon wird klar, das Zünglein an der Waage sind die Menschen. Wie erfolgreich der Einsatz der agilen Methoden ist, hängt am Ende nicht davon ab, wie perfekt sie angewandt werden, sondern ob die Teamdynamik das unterstützt. Gefahren lauern! Unterschiedliche Perspektiven, Kommunikationslücken und gegenseitige Abhängigkeiten sind zwischenmenschliche Spannungsfelder, die sich auch agil nicht einfach in Luft auflösen. Fakt ist: Diese Gefahren sind sehr real und jedes Team ist davon betroffen.
- Es ist wichtig, dass Organisationen diese Tatsache erkennen, akzeptieren und einen Rahmen schaffen, in dem individuelle Stimmungseinflüsse auf das Team als Ganzes bewältigt werden können.
- Das agile Team muss in der Lage sein, sich auch auf der Beziehungsebene selbst zu steuern. Das bedeutet, miteinander gut zu funktionieren, ohne das ICH aufzugeben.
Teamwork und das neue WIR
So wie wir neue Organisationsformen und Methoden entwickeln und einsetzen, müssen wir auch eine neue tragfähige WIR-Kultur entwickeln. Also nicht zurück zu, sondern hin zu einem neuen WIR. Dieses neue WIR braucht genau die starken ICHs, die unsere Leistungsgesellschaft gefördert hat, allerdings mit einem kooperativen Mindset.
Es geht dabei nicht nur darum, kooperationswillig zu sein, sondern in der Lage, gemeinsam eng an Problemlösungen zu arbeiten, die durch arbeitsteiliges Herangehen nicht erreicht werden könnten – das nennt man heutzutage Kollaboration.
Hier gibt es keine Hierarchien mehr, keinen, der ansagt, was wann und wie zu tun ist. Das Team organisiert sich ebenso selbst wie es innerhalb des Teams jeder Einzelne tut. Eine wichtige Frage: Wie machen wir uns fit für dieses neue WIR im Business? Das geht am besten, indem wir gewohnte Impulse hinterfragen und neue Verhaltensweisen bewusst trainieren.
Bildquelle: pexels.com
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